Januar

Der erste Monat, vor dem mich alle gewarnt hatten, ist so gut wie vorbei: Der Januar.
Noch schlimmer solle es nur im Februar werden, danach gehe es bergauf, so der Tenor.
Aber was soll ich sagen – ich mochte den Januar. Es hatten zwar ähnlich viele Restaurants geschlossen wie in den ersten Dezemberwochen, das machte mir jedoch nichts aus – den Warnungen zum Trotz war mir nämlich absolut nicht langweilig; und in meinen freien Stunden noch leere Strände und Cafés vorzufinden; das war sozusagen die Kirsche auf der Sahne.

IMG_20200101_175502_839Es mag wenig überraschend klingen: Mein Januar fing mit Silvester an.
Ich hatte fünf Freunde zu Besuch, wir kochten, spielten Boccia am Strand und „feierten“ ganz gemütlich rein. Das Feuerwerk sahen wir uns bei einem Mitternachtsspaziergang an, böllerten aber nicht selber. Uns eint die Meinung, dass gerade auf einer Insel, auf der das ganze Jahr über Naturschutz großgeschrieben wird, auch das Silvesterfeuerwerk verboten sein sollte.
Am Neujahrsmorgen gingen wir dann zum offiziellen Anbaden an den Weststrand – und wider Erwarten machten immerhin vier meiner Freunde mit und stürzten sich mit mir in die kalte Nordsee. Für den ersten Sprung ins kalte Wasser hatten die vier sich einen denkbar schlechten Tag ausgesucht: 3 Grad Lufttemperatur und dichter Nebel – da hatte ich in den letzten Monaten meist deutlich besseres Wetter. Der übriggebliebene Fünfte agierte dann als Taschenwart, hatte also zumindest eine ehrenwerte Aufgabe. Da die Insel über die Feiertage noch einmal so voll war, wie sie es sonst nur im Sommer ist, war auch beim Anbaden entsprechend viel los. Zu den hunderten Badenden gesellten sich tausende Schaulustige.


Mein Jahr hier auf Norderney soll zwar auch ein Jahr Auszeit sein, ich habe für mich aber gemerkt, dass ich die schönen Seiten der Insel, die Natur, das leckere Essen, das Meer und die Unternehmungen mit Freunden viel besser genießen kann, wenn ich sie nicht immer haben kann.
In den ersten Monaten hätte ich mich jeden Tag mehrmals aufs Rad schwingen und um die gesamte Insel fahren können. Die massig verfügbare Zeit nahm mir die Motivation, Dinge direkt zu tun – schließlich steht der Leuchtturm um 16 Uhr noch genauso wie um 12 Uhr, wieso also nicht noch warten?
Wirkliche Auszeit und dauerhaftes Nichtstun sind also nichts für mich – auch gut, wenn man das in seinem Jahr Auszeit merkt – weshalb ich mir einen Nebenjob in der Gastronomie suchte. So bin ich nun zumindest ein paar Stunden in der Woche noch beschäftigt und verdiene mir Geld für den Sommer dazu, wenn mich der Inselbloggerjob wieder mehr fordert und zahlreiche Events anstehen. Das Schöne ist, dass ich eben nicht gezwungen bin, Geld zu verdienen. Ich käme auch so gut über die Runden – und könnte jederzeit zurück zur richtigen Auszeit kehren.


83082409_2731750523605699_4972634249644474368_nAm nächsten kam ich dem Begriff Auszeit vergangene Woche in einer Yoga-Stunde in der Praxis für Gesundheitscoaching von Julia Ristow. In den Praxisräumen in der Bismarckstraße fühle ich mich direkt willkommen, während ich meine Schuhe ausziehe und in den Yogaraum gehe. Die Räume sind gemütlich gestaltet, mit vielen Bildern an den Wänden und warmen Farben. Einige Matten sind schon belegt, am Ende sind wir etwa zehn Teilnehmer. Es läuft leise Musik, Kerzen brennen, es herrscht eine gemütliche Stimmung.
Die Yoga-Kurse gibt es in verschiedenen Schwierigkeits-Leveln, Julia bietet als studierte Ernährungswissenschaftlerin aber auch Ernährungsberatung und Bewegungstherapie an, um ein gesamtheitliches Konzept zu schaffen. Im Sommer werden noch mehr Kurse angeboten, die dann auch draußen stattfinden. Yoga am Strand? Klingt nach einer perfekten Kombination, finde ich.
Julia Ristow verspricht auf ihrer Website, dass jeder Yoga machen kann – egal ob jung oder alt, körperlich fit oder eingeschränkt. Das Gefühl habe ich zunächst nicht. Jedes Mal, wenn ich es mit Yoga probiere, verfluche ich erst meine Ungelenkigkeit und meine Unfähigkeit, mich auf eine tiefe Atmung zu konzentrieren, um mir dann vorzunehmen, ab sofort wirklich daran zu arbeiten. Ich lerne dieses Mal aber auch, dass es beim Yoga darum geht, seine eigenen Grenzen zu akzeptieren, dass es keinen Leistungsdruck und Wettkampfgedanken gibt, wie es sonst bei Sport meist der Fall ist.
Zurück in den Raum: Es geht los, Neulinge und Yoga-Kenner sitzen verteilt auf den Matten im Raum, Julia führt von einer Matte in der Mitte des Raumes durch die Yoga-Stunde. Mit einer wirklich angenehmen Stimme gibt Julia Anweisungen – macht aber selber auch mit. Gut für Yoga-Anfänger wie mich, die dann immer nochmal gucken können, wie genau die Übung nun aussehen soll. Bei anspruchsvolleren Übungen geht Julia durch die Reihen und korrigiert die Haltung leicht – auf jeden Kursteilnehmer wird einzeln eingegangen.  Obwohl die Yoga-Einheit kein schweißtreibender Sport war, machen sich am Ende doch meine Muskeln bemerkbar; nach der gemeinsamen, abschließenden Entspannung fühle ich mich jedoch wieder erholt und ausgeglichen.
Die Yoga-Einheiten bei Julia kann ich nur empfehlen – ob zum Ausspannen nach einem stressigen Tag oder für einen gelungenen Start in den Morgen.


Ende Januar ging es für mich für drei Tage von der Insel: Ich war als Speakerin zur BOOT, der weltgrößten Wassersportmesse, eingeladen, um von meinem Leben als Inselbloggerin zu erzählen. Ich nutzte die freie Zeit in Düsseldorf dazu, alte Freunde zu treffen und hatte zwei wirklich schöne Abende dort. Samstag war ich fast den gesamten Tag auf der Messe- zweimal sollte ich etwa eine halbe Stunde von meinem Inselalltag erzählen, den Rest des Tages verbrachte ich damit, mir einen Eindruck von der gigantischen Messe zu verschaffen. Zwischen Luxusyachten und Segelbooten, die größer als die eigene Wohnung sind, kann man sich schon arm vorkommen.  Während die Luxus-Hallen der Messe nicht ganz meine Welt waren, hat die Surfsport-Halle noch mehr Lust auf Wellenreiten, Kitesurfen und Windsurfen gemacht und meine Vorfreude auf den Surfsaison-Start auf Norderney verfößert.
Mein Vortrag war sehr entspannt; ich hatte eine Präsentation mit Fotos von meiner Arbeit und der Insel vorbereitet, der Rest ergab sich im lockeren Gespräch mit dem Moderator.


83942128_526435704896433_2566190307355918336_nLast but not least habe ich im Januar die bisher beste Entscheidung meines Lebens getroffen: Seit Ewigkeiten will ich einen eigenen Hund besitzen, nun habe ich endlich einen, eine 1,5 Jahre alte Husky-Collie-Labrador-Dame. Viel Verantwortung, viel Geld, viel Zeit – aber schon nach drei Tagen Hundemama-Dasein weiß ich: Das ist es wert!  Wir beide sind schon jetzt ein echtes Team, waren zusammen in der kalten Nordsee und, was ich nicht gedacht hätte: Ich entdecke nach vier Monaten Inselleben immer noch neue Wege, seit wir zu zweit unterwegs sind. In den nächsten Blogeinträgen werdet ihr also um Berichte vom Leben mit Hund nicht herumkommen!

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Ein Gedanke zu “Januar

  1. Ich finde diese Eiswasser-Anbade-Aktionen immer toll!😄 Allein würde ich wahrscheinlich nie bei knapp über null Grad baden gehen, aber so klingt es ziemlich witzig! Übrigens Glückwunsch zu deiner Hündin, ich kann deinen Wunsch nach einem Hund total verstehen, umso schöner, dass es endlich geklappt hat! 😊

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