Werbung. Auch, wenn mir immer wieder gesagt wird, dass es kein schlechtes Wetter gibt: Ab Mai ist mir jeder graue Regentag zuwider. Hin und wieder ein kräftiger Regen, damit nicht alle Pflanzen vertrocknen oder ein fast romantisches Sommergewitter, bei dem man sich ins Haus verziehen und vom Trockenen aus den Naturgewalten zusehen- und hören kann: Okay. Aber wenn der graue Himmel über Tage hinweg nicht verschwinden will und man kaum so richtig wach wird – dann wünsche ich mir doch den schweißtreibenden Sommer zurück.
Da hilft, dass es neben Tee, Kaffee und Netflix auch Bücher gibt, die einem die Zeit vertreiben, einen in ihren Bann ziehen und hin und wieder in eine ganz andere Welt entführen.
Vom Klaas Jarchow Media Buchverlag GmbH& Co KG habe ich vor kurzem ein paar Bücher zugeschickt bekommen – der Verlag aus Hamburg steht für Bücher aus Norddeutschland und bietet mit seiner Auswahl an nordischen Büchern Stoff für alle Norddeutschen und die, für die der windige Teil Deutschlands zu einem Sehnsuchtsort geworden ist.

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Mona Harry: Norden und andere Richtungen
Das erste Buch ist von der Reisepoetin und Slammerin Mona Harry, die gebürtig aus Ahrensburg stammt und nun in Kiel wohnt: Ein echtes Nordlicht also. Das Buch ist sehr ansprechend mit Zeichnungen und Bildern der Slammerin gestaltet. Einige ihrer Texte ziehen sich über mehrere Seiten und werden durch die Unterbrechung von Bildern wunderbar entzerrt; lassen damit Platz für eigene Gedanken. Ich höre mir vorab einige ihrer Auftritte bei YouTube an – und habe beim anschließenden Lesen Mona Harrys Stimme, Betonung und Sprechmelodie im Kopf. Es ist fast, als würde mir der Text vorgelesen werden. Und das gefällt mir bei Texten, die ursprünglich für die Bühne gemacht sind vielleicht auch noch besser, als sie selbst zu lesen: Wenn sie mir vorgelesen werden – und ich die Augen schließen kann.
Warum mein Herz am Norden hängt: https://www.youtube.com/watch?v=4Sum0jMW65w
Martin Stock: Meerlandschaften – Im Rhythmus der Gezeiten

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So wirklich begeistert hat mich das Wattenmeer noch nie – grau-brauner Schlick, eine scheinbar endlose Matschwüste, Vögel und eigenartige Würmer. Subjektiv betrachtet war das Weltnaturerbe immer eher langweilig – und optisch klar im Schatten der anderen UNESCO-Weltnaturerbe stehend.
Wie man damit einen ganzen Bildband von über 150 Seiten füllen soll, war mir rätselhaft – bis ich das Buch von Nationalpark-Mitarbeiter und Autor Martin Stock in den Händen hielt. Der Bildband nimmt den Leser mittels wunderschöner Luftbaufnahmen mit auf eine Reise über das deutsche Wattenemeer – zeigt Inseln, Halligen, Formationen des Wattenmeeres und schafft es, die ganz besondere Stimmung und Ruhe einzufangen, die die einzigartige Landschafts des Wattenmeers ausstrahlt. Informative Texte zu den präsentierten Orten, persönliche Geschichten verschiedener Menschen, Erklärungen zu Besonderheiten des Wattenmeeres – der Bildband zeigt nicht nur wunderschöne Aufnahmen, die man so vielleicht nicht vom grau-braunen Wattenmeer erwarten würde, sondern bringt dem Leser den Lebensraum, der vom ewigen Rhythmus der Gezeiten geprägt ist, ein ganzes Stück näher.

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Marcus Fischötter: Von oben: Norddeutschland bei Nacht,
Gerade jetzt im Sommer, da es selbst nachts kaum richtig dunkel wird, ist das Buch von Marcus Fischötter eine spannende Abwechslung. Bei manch einem dürfte es bei dem Namen klingeln: Die filmische Reise über das nächtliche Norddeutschland lief 2019 in deutschen Kinos. In dem Bildband sieht man Norddeutschland aus einer Perspektive, die man normalerweise kaum zu sehen bekommt: Aus der Luft. Es werden nicht nur Skylines oder historische Gebäude gezeigt, die die meisten von uns kennen dürften, sondern auch einsame Orte, gigantische Parkplätze, Bohrinseln auf hoher See, Windparks oder Krabbenkutter. Und es werden Menschen vorgestellt, die zu eben dieser Zeit arbeiten, wenn die meisten von uns schlafen.
Der Bildband beginnt mit dem Sonnenuntergang und erzählt anhand spektakulärer Bilder und Geschichten die Nacht bis zum Morgengrauen; eröffnet dem Leser eine Welt, die ihm üblicherweise verborgen bleibt – weil sie überwiegend in der Dunkelheit stattfindet.

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Sven Brauer: Sprotten, Mutt und Ofenkatze
Ein Titel, der mich vorerst ratlos zurückließ: Würde auf dem Buchcover nicht der Zusatz „Heimatküche, Alte Rezepte neu entdeckt und gezeichnet“ stehen, ich hätte wahrscheinlich nicht gewusst, welche Art von Buch mich hier erwartet.
Mutt heißt übrigens Sau – für alle, die der plattdeutschen Sprache ebenso wenig mächtig sind wie ich.
„Eten und Drinken holt Lief un Seel tosamen“ – dieses norddeutsche Sprichwort hat sich der Autor Sven Brauer zu Herzen und als Grundlage für sein Kochbuch genommen. Verwandte, Marktfrauen, Bekannte, Dorfbewohner und Freunde hat der Buxtehuder nach Rezepten aus der Region gefragt; nach Rezepten, die fast vergessen sind – und Rezepten, die in Norddeutschland eine neue Heimat gefunden haben. Beim Durchlesen des Inhaltsverzeichnis weiß ich nicht immer direkt, was mich erwartet: „Graue Erbsen“ klingt zum Beispiel erst einmal nicht nach einem Gericht, das zu meiner neuen Leibspeise werden könnte, beim Studieren des Rezeptes hingegen kann ich mir durchaus vorstellen, mich einmal dafür an den Herd zu stellen. Das Buch von Sven Brauer unterscheidet sich klar von anderen Kochbüchern: Es gibt keine Fotos der Gerichte, stattdessen ist das Buch gespickt mit bunten Zeichnungen der Orte, aus denen die Rezepte stammen, von Essen, von Zutaten. Dazu gibt es unterhaltsame wie informative Geschichten zu den Gerichten, vergangenen Zeiten oder den Menschen, von denen der Autor das Rezept erhalten hat.
Außergewöhnliche Küche wird in dem Buch vergeblich gesucht; dafür dürfte die teils neu interpretierte Hausmannskost vor allem bei Norddeutschen Kindheitserinnerungen wecken und fast vergessene Gerichte zurück auf deutsche Herde bringen.