herbstende

Ende November – und ich bin immer noch voll im Herbstmodus und gedanklich eher im Laub als auf Weihnachtsmärkten unterwegs.  Angesichts der vielen Fotos von Glühweinbuden und Crêpes-Ständen, die mich von Freunden erreichen, muss ich aber wohl oder übel einsehen, dass es steil auf den Winter zugeht – und zwischen heute und Weihnachten nur noch 28 Tage liegen.

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Auch auf Norderney gibt es einen Weihnachtsmarkt – allerdings erst ab dem 27. Dezember

Der Himmel scheint seine Farbe für die Herbst-Winter-Saison auf jeden Fall schon gefunden zu haben: Grau. Den Unterschied zwischen Morgen und Mittag, Mittag und Abend erkennt man häufig nur daran, dass dunkles Grau zu hellem Grau und helles Grau wieder zu dunklem Grau wird.
Ich weiß, dass sich über Schönheit streiten lässt – und Schönheit immer im Auge des Betrachters liegt – aber so ganz rational gesehen, hat ein vollkommen grauer Tag einfach wenig Schönes an sich hat. Und dennoch: Wenn ich nicht gerade im Bett liege, aus dem Fenster starre und mich frage, ob es irgendeinen nennenswerten Grund gibt, heute noch das Haus zu verlassen – also wenn ich draußen bin, ob am Strand, in den Dünen oder auf irgendeiner Straße, die mitten durch all das Grau-in-Grau führt – dann haben auch diese rational-hässlichen Novembertage was für sich. Alles scheint wie in Watte gepackt, jedes Geräusch wirkt gedämpft; fast vom Nebel verschluckt und Menschen scheinen nur noch in den Cafés mit Kerzenlicht und Kamin vor einer heißen Tasse Tee zu existieren.
Norderney im November-Grau: Unendlich friedlich – und gleichzeitig verstehe ich, wieso es trotz der verschwindend geringen Mordfälle so viele Ostfriesen- und Inselkrimis gibt. Die stumme, triste Landschaft und der alles-vertuschende Nebel liefern die perfekte Kulisse für ein Verbrechen.

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Leere Straßen, grauer Himmel: Norderney im November.

Vielleicht passiert hier trotz perfekter Krimi-Szenerie kaum etwas Schlimmes, weil jeder auf der Insel direkt Bescheid wüsste. Denn: Anonymität ist hier ein Fremdwort.
Jetzt, da die Urlauberzahlen deutlich abgenommen haben, erkenne auch ich als Neuling langsam aber sicher, wer zur Insel „gehört“ und wer nicht. In Restaurants spiele ich mittlerweile in Gedanken das Spiel „Wer ist Touri, wer Insulaner“ durch. Die Ur-Insulaner brauchen solche Spiele natürlich nicht mehr. Sie wissen, wer auf der Insel lebt (und wie lange schon), womit die Person ihr Geld verdient (und wie viel davon) und gefühlt sogar, was es gestern zum Mittagessen gab und welches Fernsehprogramm lief. Ganz so extrem ist es natürlich nicht – und doch spielt Klatsch und Tratsch hier – ganz ähnlich wie in meinem Heimatdorf – eine wichtige Rolle. Ich habe mir vorgenommen, einen Monat lang weder Alkohol noch Fleisch zu konsumieren und fürchte, dass ich angesichts meiner Malzbier- und Wasserbestellungen ganz bald Geschenke zur bevorstehenden Geburt meines Gerüchteküche-Babys erhalten werde. Privates und Berufliches trennen – das ist hier kaum möglich:  Den Kollegen begegnet man im Wartezimmer beim Arzt, dem Arzt abends beim Sport, dem Sportkursteilnehmer in der Sauna und der, der den Aufguss in der Sauna macht, wohnt zufällig im gleichen Haus.

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Besser, man sucht sich vor dem Winter Freunde: Wenn es draußen eklig wird, spielt sich das Leben drinnen ab.

Die fehlende Anonymität hier ist nicht generell schlecht oder gut – sie ist in manchen Momenten einfach praktischer als in anderen. Vollkommen betrunken durch die Straßen wanken: In Köln auf jeden Fall weniger peinlich, wenn niemand einen kennt – nicht einmal der eigene Nachbar.  Noch betrunkener durch die Straßen wanken und nicht mehr wissen, wie man nach Hause kommt: Auf Norderney praktisch; jeder weiß, wo der andere wohnt. Oder wenn es eben um gegenseitige Hilfe geht, um das Ausleihen von zB einer Bohrmaschine – erstens weiß man, wer eine Bohrmaschine haben könnte, zweitens weiß die andere Person sicher, dass sie diese wieder zurückbekommt – schließlich will keiner, dass jeder auf der Insel über die eigene Unzuverlässigkeit Bescheid weiß.

Schon, dass man den gleichen Wohnort gemein hat, schafft auf Norderney ein Zusammengehörigkeitsgefühl – man teilt die Abgeschiedenheit, die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung und steuert die gleichen Supermärkte und Restaurants an. Dadurch, dass man sich ständig wieder über den Weg läuft, „kennt“ man sich viel eher als in der Stadt. Es wird seine Gründe haben, dass es nur das Wort Dorfgemeinschaft, nicht aber das Wort Stadtgemeinschaft gibt. Gelebtes Gemeinschaftsgefühl beispielsweise gibt es in Großstädten gefühlt nur zu besonderen Anlässen, in Köln an Karneval und bei Fußballspielen.

Bisher habe ich die fehlende Anonymität auf Norderney vor allem positiv erfahren: Freundschaften, Bekanntschaften und zig Hilfsangebote beim Umzug.  Der wohl beste Nebeneffekt, wenn jeder jeden kennt: Bei ebay kleinanzeigen gehen Käufer und Verkäufer besser miteinander um. Die klassischen ebay-Phrasen „Letzte Preis??“, „Noch da?“ und „Mach billiger“ werden durch vollständige, freundliche Sätze ausgetauscht.

no rush november

76661233_592798588210581_7744579200153026560_nNovember: Die Insel leert sich zusehends, alle Events des laufenden Jahres passen auf eine der großen Anzeigetafeln, Himmel und Meer bilden eine graue Einheit, auch in diesem Moment regnet es; erst um 21 Uhr soll der andauernde Nieselregen kurz aufhören. Die Strandkörbe sind schon längst im Winterschlaf, in Hotels wird renoviert, was das Zeug hält und die Gastronomen können sich nach Monaten des Durcharbeitens endlich mal ein bis zwei freie Tage in der Woche erlauben oder überwintern direkt an einem sonnigeren Ort. Selbst am sonst so belebten Nordstrand kann man zuweilen allein unterwegs sein.
Auch für mich stehen deutlich weniger Veranstaltungen an als noch im September und Oktobert – in meine Wochen schleicht sich langsam so etwas wie Routine; Alltag.

 


74847193_2124336204334230_4597394823987593216_nSeit dem 1.11 gehe ich täglich mit einer Freundin ins Meer; schwimmen bei Temperaturen, die wenig Spaß, aber dafür umso mehr Gänsehaut machen. Das war ihre Idee – und ich reibe es ihr an besonders ungemütlichen Tagen gerne unter die Nase. Sie hat mir versprochen, dass ich am Ende des Winters nicht mehr wissen werde, was Cellulite überhaupt ist, die Idee hat mich also schnell überzeugt. Bis auf die vier Tage, an denen ich auf dem Festland war, quälen wir uns also – meist morgens – ins kalte Nass; und erzählen jedem Strandspaziergänger, dass es gar nicht so schlimm sei und man sich an alles gewöhnen würde. Stimmt auch; trotzdem meckern wir jeden Tag auf den ersten Metern vor uns hin und freuen uns stets auf die warme Dusche im Anschluss.

 


76654205_522484778592700_890575427469312000_nEine Unterbrechung meiner Einkaufen-Meer-Chor-Sport-Badehaus-Routine: Vier Tage Köln und Heimatbesuch, um meine Wohnung aufzulösen, Möbel zu schleppen und zu verkaufen, noch einmal Stand-Up-Bühnenluft zu schnuppern und: Bis um 12 einkaufen zu gehen; was für ein Leben. Auf der Fahrt von meiner Weserbergland-Heimat zurück nach Norderney verschwinden erst alle herbstlich-bunt-gefärbten Hügel, dann setzt Regen ein, die Landschaft vor mir ähnelt einem Pfannkuchen; nicht geschmacklick oder farblich, sie ist nur einfach sehr platt; Windräder über Windräder tun sich am Horizont auf. Aber dann, angekommen in Norddeich: Ein wunderschöner Sonnenuntergang überm Meer – zurück geht’s in die neue Heimat.


75464096_422387608696497_8092157726458642432_n(1)Anfang November war ich beim Song Ping Pong im Wohnzimmer des Insellofts. Und es hat wieder alles gepasst: Von der lauschig-gemütlichen Atmosphäre in kleiner Runde mit Sitzkissen, Kaminfeuer und Wein, über das gesamte Team des Insellofts, das wie immer superfreundlich war, hin zu großartiger musikalischer Unterhaltung von Neil Hickethier und Lennart Salomon. Entspannte Stimmung, Gitarre und Gesang und kleine Anekdoten aus dem Leben der Musiker: Das Wohnzimmerkonzert; ein Wohlfühlabend wie unter Freunden.


Ebenfalls zu Beginn des Monats: Der Talentetreff des Norderneyer Laientheaters. Das Treffen richtete sich an alle Norderneyer von 6 bis 99 Jahren und war keineswegs nur für Schauspieler gedacht. Ob man besonders gut nähen, schminken oder organisieren kann – für jeden gibt es etwas zu tun.  Ich ging gemeinsam mit einer Freundin zum Treffen – sie ist nun festes Mitglied in der Theatergruppe. Da die Woche nur sieben Tage hat, beschloss ich, dass ich mich lieber weiterhin Bodyforming statt Bühnenperfomance widme; und so weiterhin meine wöchentliche Portion Milchreis essen kann. Ich freue mich aber schon darauf, im Frühsommer eine Aufführung des Laientheaters besuchen zu können. 


76653276_1136219463383144_4716825525048311808_nIm Oktober war ich schon einmal für Kaffee, Tee und Klatsch& Tratsch in der Tagespflege Marienresidenz. Nicht nur der Ostfriesentee scheint auf Norderney nie auszugehen, auch Klatsch & Tratsch gibt es auf einer Insel immer zur Genüge: Der erste Rat, den ich von der bunt gemischten Gruppe aus Insulanern, Zugezogenen und Rückkehrern erhielt: „Werden Sie bloß nicht die Zweitfrau von jemandem. Das spricht sich hier immer direkt rum“. Vor einigen Tagen war ich dann erneut dort, dieses Mal ging es nicht um meine Männerwahl: Die Senioren aus der Tagespflege bekamen Besuch von Junioren aus dem benachbarten Kindergarten, um gemeinsam Weihnachtsdeko zu basteln.  Über 90 Jahre Altersunterschied lagen zwischen dem jüngsten und dem ältesten Mitglied der Runde.  Von Berührungsängsten keine Spur: Kaum waren die Bastelutensilien auf den Tischen verteilt, setzten sich auch die Kinder auf die leeren Stühle zwischen die älteren Herrschaften und hielten sich nicht lang mit Smalltalk auf – es ging direkt an die Scheren und Klebestifte.
Gute Laune, gegenseitige Hilfe, mit Glitzer überladene Sterne, Weihnachtsbäume und Engel, Klebereste auf den Tischen und gemeinsamer Stolz auf die fertiggestellte Weihnachtsdeko: Der Bastelvormittag war für alle Beteiligten ein schönes Erlebnis. 

 

wohl bekomm’s!

Ich muss mich gleich zu Beginn entschuldigen. Manchmal bin ich eine unfassbar schlechte Bloggerin: Oft esse ich, bevor ich daran denke, dass ich eventuell ein Foto vom Essen machen sollte.

73322857_421351228547921_3284839555470983168_nHausmanns Kost & Deli
Bei Hausmanns Kost&Deli auf der Jann-Berhaus-Straße geht es gemütlich zu: Da es in dem kleinen Restaurant nur eine begrenzte Anzahl an Tischen gibt, werden Neuankömmlinge zu Fremden an den Tisch gesetzt; ein freundliches Miteinander in großer Runde, etwas wie zuhause bei Familienzusammentreffen. Und das will Hausmanns Kost&Deli auch: Essen servieren, das traditionellen Genuss wie bei Muttern in Verbindung mit kreativem Küchenhandwerk setzt.
Die Karte ist übersichtlich, dürfte aber dennoch für jeden etwas im Angebot haben. Weil es draußen ungemütlich kalt ist, entscheide ich mich für zwei Gerichte, die in Schüsseln serviert werden, denn: An kalten, dunklen Tagen ist Schüssel-Löffel-Essen mein ganz persönliches Soul Food. Der Service ist schnell, freundlich und aufmerksam. Sowohl das Vegetarische Curry als auch der Milchreis mit Roter Grütze schmecken super lecker – auch wenn meine Mama anders kocht.

72819666_2355440898118121_9020671510586589184_n(1)Kurpalais
Ob Frühstück, Mittagessen, Kaffee & Kuchen oder ein-zehn Getränke an einem Konzertabend: Das Kurpalais im Conversationshaus versorgt Gäste den ganzen Tag über. Während mir tagsüber manchmal – der Lage geschuldet – etwas viel Betrieb ist, finde ich das Kurpalais abends umso gemütlicher. Eine wirklich schöne Bar, gemütliches Licht und Blick auf den erleuchteten Kurplatz. Egal ob für einen Kaffee, Kaiserschmarrn mit Apfelmus (große Portion und echt lecker) oder Wein – bisher hatte ich dort immer eine gute Zeit.

74788725_427223801546192_2058842991958687744_nMr. Nice Pizza
Das Restaurant in der Winterstraße ist modern und schön eingerichtet, wäre allerdings nicht meine erste Wahl für einen gemütlichen Restaurantbesuch. Gut, dass wir ohnehin Pizzen zum Mitnehmen haben wollten. Das Angebot ist genau richtig: Nicht zu groß, nicht zu klein, kreative Namensgebungen der Pizzen (z.B. Pizza Norderney statt Pizza Hawaii). Meine Brokkoli-Pesto-Schafskäse-Pizza war super lecker; gewartet haben wir etwa 20 Minuten.

74205747_425641488114090_9196286800560128000_nRistorante Da Sergio
Am Ende der Fußgängerzone (Damenpfad) liegt das Ristorante Da Sergio. Ich war zur Mittagszeit da – entsprechend mäßig besucht war das Lokal, entsprechend schnell der Service. Bruschetta und Rotbier standen innerhalb kürzester Zeit vor mir. Das Bruschetta war knusprig, würzig, lecker und an genau den richtigen Stellen etwas durchgeweicht. Ich komme gern noch einmal für ein richtiges Essen wieder; denn gemütlich ist es dort definitiv.

74951484_418493525506249_9065345230663843840_nStrandStulle
Der Subway Norderneys: Die StrandStulle im ehemaligen Haus Schifffahrt an der Bülowallee serviert als Sandwichmanufaktur nicht nur Sandwiches, sondern auch Muffins, Getränke und Smoothie Bowls. Ein großartiger Laden auch für alle Nachteulen der Insel: Am Wochenende hat die StrandStulle bis 5 Uhr nachts geöffnet. Freundlicher Service, gute Beratung, leckerer Sub: Ich war sehr zufrieden.

es ist kompliziert.

Was vielfach als Beschreibung einer semioptimalen Beziehung herhalten muss, fasst auch in vielerlei Hinsicht das Leben auf einer Insel in Worte; das Leben auf Norderney.

Die Kompliziertheit des Insulanerdaseins, sie fängt für die Norderneyer schon mit der Geburt an: Es gibt keine Geburtenstation auf Norderney. Ich persönlich schätze meinen Gemütszustand kurz vor der Geburt so ein, dass eine Fährfahrt das Letzte sein dürfte, auf das ich Lust hätte. Aber – wat mutt, dat mutt – und so haben Norderneyer Familien wahrscheinlich mehr spannende Geburtsgeschichten zu erzählen, als die meisten Festlandfamilien.
Immerhin: Seit Januar gibt es auf Norderney mit Julia Gotschlich wieder eine Hebamme, die Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse gibt und werdenden Eltern bei Fragen oder Problemen mit Rat und Tat zur Seite steht.

Kompliziert geht’s weiter: Schiel-Probleme, schlechte Sehkraft; bunte Pflaster oder Brillen bekommt nur, wer vorab auf die Fähre steigt. An sich ist die Ärzteversorgung auf Norderney zwar vergleichsweise gut, Augenärzte z.B. gibt es aber nur auf der anderen Seite des Wassers.

Auch für den Führerschein müssen Insulaner erst aufs Boot. Klingt zwar zunächst umständlich und nervig, letztlich würde ich aber auch niemandem im Straßenverkehr begegnen wollen, der mit Abschluss der Fahrprüfung als Höchstgeschwindigkeit 50 km/h verzeichnen kann, noch nie an einer Ampel gestanden und lediglich drei verschiedene Straßen befahren hat.
Die Lernerei an sich scheint mit viel Fahrerei verbunden zu sein: Wer einen höheren Schulabschluss anstrebt, muss die Insel verlassen – nach der 10. Klasse ist auf Norderney Schluss, danach geht es entweder pendelnderweise aufs Gymnasium oder direkt aufs Internat. Wenn ich überlege, wie früh aufgestanden werden muss, um pünktlich zur ersten Stunde auf dem Festland zu sein – ich würde nicht hingehen.

Weiter geht’s mit Sport: Wer auf Norderney beispielsweise in einer Fußballmannschaft spielt, kann für ein Auswärtsspiel natürlich nicht nur bis ans andere Ende der Insel fahren und dort auf den Gegner treffen. Auch hier steht jedes Mal erst eine Fährfahrt an, ein Spieltag kann also gerne mal einen ganzen Tag in Anspruch nehmen.
Auch Sportbegeisterten, die auf Langstrecke trainieren, legt das Inselleben Steine in den Weg. Eine 180 km lange Radstrecke beispielsweise wird nun einmal nicht zwingend spannender, wenn man alle 10 Kilometer umkehren muss und immer wieder das Gleiche sieht. Immerhin bietet die Insel ausreichend Wind, was einen zusätzlichen Trainingseffekt verspricht.

Die Pubertät samt Folge-Teenagerjahren stelle ich mir am schwierigsten vor: Du willst Mädels kennenlernen, kennst sie aber schon alle – immerhin wart ihr schon gemeinsam in der Krabbelgruppe. Auch Tinder dürfte nicht die größte Hilfe sein – sobald der Radius auf über 10 km gestellt und ein potentieller Partner gefunden wird, muss ständig die Fahrt mit der Fähre bezahlt werden. Umgekehrt müsste der Festland-Partner hier sogar immer noch für die Kurtaxe aufkommen: Eine Beziehung, die an die Substanz, ins Geld geht. Für die meisten Insel-Jugendlichen dürfte deshalb gelten: Auf den Sommer warten, wenn zahlreiche feierwütige Inselgäste und Saisonarbeiter auf die Insel strömen. „Fährenweise Frischfleisch“ empfinde ich als schönen Titel für dieses Sommer-Phänomen. Auch der Disko-Besuch gestaltet sich schwierig, wenn alle Locations, in denen die eigenen Eltern oder Menschen aus der Generation der Eltern feiern gehen, ausgeklammert werden.

Was ich oft vergesse: Es müssen nicht nur alle Touristen irgendwie hier auf die Insel kommen, sondern eben einfach alles, was man für den täglichen (oder lebenslänglichen) Gebrauch benötigt. Außer Meer und Sand ist auf einer Insel nicht viel vorhanden. Alles, was in den Regalen steht, im Restaurant serviert wird, alle Möbel, Geschirre, Tiere – was auch immer: Es muss erstmal auf ein Schiff und rübergefahren werden.

Touristen, Zugezogene und mich tangieren diese Probleme natürlich kaum. Das Einzige, was mir hier das Leben schwer macht? Der Sand. Ich kann saugen und fegen, so viel ich will; irgendwo in der Wohnung liegt immer Sand.

Auch wenn das Leben auf einer Insel oft etwas komplizierter ist: Mit dem Strand, der Nordsee und den Wellen direkt vor der Haustür dürfte sich jeder Insulaner oder Zugezogener sagen: Das ist es wert.

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