77 Tage bin ich jetzt schon auf Norderney – was auch bedeutet, dass ein Fünftel meiner Zeit bereits vorbei ist. Gefühlt rast die Zeit, vielleicht aber auch, weil entgegen meiner Erwartungen immer noch relativ viel los ist.
Am Freitag war – wie ganz zu Beginn meiner Inselzeit – wieder eine Klima-Demo im Rahmen von Fridays For Future. Unter dem Motto „Wenn das Wasser steigt“ traf sich eine Gruppe Norderneyer mit Gummistiefeln, Eimern und Plakaten bewaffnet an der Fähre und begrüßte die ankommenden Gäste mit Handzetteln und dem Klima-Lied „Do it now“. Organisiert wurde der Streik am Hafen von der Initiative „KURVE-Wende-Norderney“, deren Name sich aus den Wörtern Klima, Umwelt, Ressourcen, Verkehr und Energie ergibt.
Auch eine Veranstaltung am Samstag widmete sich Nachhaltigkeit und der Frage, wie jeder Einzelne etwas verändern kann. Veränderung mögen scheinbar vor allem Frauen – oder Männer wissen schon über alles Bescheid – auf jeden Fall war unter den Teilnehmern am Workshop „Plastikfrei leben – unverpackt und selbstgemacht“ im Badehaus lediglich ein Mann dabei. Im Workshop von Perpetuum Mobility e. V. , einer Organisation, die sich für einen bewussteren Umgang mit der Umwelt einsetzt, wurde erst diskutiert, in welchen Bereichen unseres Lebens Plastik verwendet wird (in etwa allen) – und wo und wie wir darauf verzichten können. Im letzten Teil des Workshops stellten wir unser eigenes Deodorant her. Die kommenden Workshops kann ich jedem nur empfehlen: Wichtige Themen werden spielerisch und im Diskurs behandelt, statt mit belehrend erhobenem Zeigefinger erklärt.
Ihr erinnert euch vielleicht – seit dem 1.11 gehe ich täglich mit einer Freundin ins Meer. Der erste Monat ist um und: Man gewöhnt sich tatsächlich daran. Wovon wir ganz fest ausgegangen sind: Dass wir nie wieder krank werden. Aktuell läuft uns leider beiden die Nase. Vielleicht aber auch, weil wir einiges falsch machen. Scheinbar gibt es beim Gang ins kalte Wasser mehr Regeln, als sich erst auszuziehen, schwimmen zu gehen, dann wieder anzuziehen und irgendwie wieder warm zu werden. Deshalb gehen wir morgen einmal mit einer absoluten Expertin in Sachen Kälte ins Wasser: Frau Rass, der Klimatherapeutin der Insel.
Seit dem 17. November gibt es eine neue Sonderausstellung im „Museum Nordseeheilbad Norderney„. Die Ausstellung läuft unter dem Titel „Eine Insel im Krieg“ und thematisiert die erweiterte Kinderlandverschickung, die ab 1941 auch Norderneyer Kinder betraf. Tatsächlich hatte ich mir bis zu meinem Besuch im Bademuseum wenige Gedanken dazu gemacht, wie sich der Krieg auf das Leben der Insulaner ausgewirkt haben könnte. Während in Städten zig Denkmäler und Museen auf die jeweilige Kriegsvergangenheit hinweisen, gibt es auf Norderney kaum Anhaltspunkte, die an die Kriegsjahre erinnern. Durch die Ausstellung im Bademuseum habe ich meine Wissenslücke nun schließen können und kann einen Besuch der Ausstellung nur empfehlen – dies ist noch bis Mai 2020 möglich.
Seit dem 26.11 leuchten die Weihnachtslichter auf dem Kurplatz, auch das Tor zur Krippe ist geöffnet. Auf das Christkind in der Krippe muss aber noch gewartet werden: Bis zum 24.12. Angeblich legen aber immer mal wieder Touristen Ü-Eier und ähnliches in die Krippe, damit Maria und Josef nicht ins Leere starren müssen. Ich werde Wache halten und
die Bösewichte zurechtweisen die Ü-Eier essen. Auch der Weihnachtsmarkt samt Glühwein und Essens-Spaß lässt noch auf sich warten: Erst am 27.12 gibt’s auf Norderney einen Weihnachtsmarkt – wenn die Insel zwischen den Feiertagen und über Silvester noch einmal richtig voll ist.
Ende November fühlte ich mich eigentlich schon zu sehr als Experte, um zur Virtuellen Stadt – und Inselführung im Conversationshaus zu gehen. Schließlich hatte ich (fast) alles auf der Insel schon mehrfach gesehen. Der bebilderte Vortrag von Jürgen Hoenicke, der auch Stadtführer auf der Insel ist, bot jedoch überraschend auch für mich (und andere Norderneyer) zahlreiche neue Informationen. Ich wusste zum Beispiel vorab noch nicht, dasss Norderney im Sommer die verkehrsunfallträchtigste Kreuzung Ostfrieslands zu bieten hat – oder dass die Milchbar im Winter auch Seniorenaquarium genannt wird. Egal ob Neuankömmling, Ur-Norderneyer oder Gäste, die nicht mehr gut zu Fuß sind: Der informative, unterhaltsame Vortrag lohnt sich für jeden, der auf der Insel ist.